O Herr, Du weißt besser als ich, daß ich von Tag zu Tag älter
und eines Tages alt sein werde.
Bewahre mich vor der Einbildung, bei jeder Gelegenheit und zu jedem Thema etwas sagen zu müssen. Erlöse mich von der großen Leidenschaft, die Angelegenheiten anderer ordnen zu wollen.
Lehre mich nachdenklich, nicht grüblerisch, hilfreich, aber nicht diktatorisch zu sein.
Bei meiner ungeheuren Ansammlung von Weisheiten erscheint es mir schade, sie nicht weiterzugeben, aber Du verstehst mich, o Herr, daß ich mir ein paar Freunde erhalten möchte.
Bewahre mich vor dem Aufzählen endloser Einzelheiten
und verleihe mir Schwingen, zur Pointe zu gelangen.
Lehre mich schweigen über meine Krankheiten und Beschwerden.
Sie nehmen zu – und die Lust, sie zu beschreiben, wächst von Jahr zu Jahr.
Ich wage nicht, die Gabe zu erflehen, mir Krankheitsschilderungen anderer
mit Freude anzuhören, aber lehre mich, sie geduldig zu ertragen.
Lehre mich die wunderbare Weisheit, daß ich mich irren kann!
Erhalte mich so liebenswert wie möglich.
Ich möchte keine Heilige sein, mit ihnen lebt es sich so schwer,
aber ein Griesgram ist das Krönungswerk des Teufels.
Lehre mich, an anderen Menschen unerwartete Talente zu entdecken,
und verleihe mir, o Herr, die schöne Gabe, sie auch zu erwähnen.
(Gebet der Theresa von Avila, 16. Jahrhundert)
Mögen mich die äußeren Signale meines Alterns nicht dazu verleiten, ästhetisch-chirurgische Alterungs-Präventionen, wie Face-lifting, Eigenfettbehandlung, Ohrläppchenreduktion oder ähnliches zu erwägen.
Aber erhalte mir liebe Freunde, die mich bislang begleitet haben,
die mir sehr wertvoll sind und mit denen ich gerne älter werde.
(Stoßseufzer von Ingeborg, aus dem Jahr 2003)